2016: Goethes Faust: Ökonom - Landesplaner - Unternehmer

 9783631674864Peter Lang Verlag und im Buchhandel (gebunden, PDF und EPUP), bei Amazon

In dieser Studie stellt der Autor Fausts Werdegang vom Gelehrten zum Ökonomen, Landesplaner und Unternehmer dar und zeigt durch die innovative „geographische Deutung“ des fünften Akts, inwiefern durch Fausts Neulandgewinnung eine blühende Kulturlandschaft hat entstehen können. Bislang bestand in der Faust-Forschung weitgehend Konsens darüber, dass Faust am Ende des Dramas ein Egomane und ein Illusionist ist und dass dessen Neulandprojekt scheitern wird. Der Autor zeigt hier, dass ganz im Gegenteil Fausts wirtschaftliches Wirken und damit sein ganzes Leben (trotz so mancher Schattenseiten) von Erfolg gekrönt ist. Durch diese neue Sichtweise weist das Buch den Weg zu einem positiven Faust-Bild.

Germanistik - Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen. Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Band 60, Heft 1-2 (Aug 2019), S. 265 f.

"Die Studie basiert auf überarbeiteten Passagen der Diss. (Univ. Heidel­berg, 2015) des Verf. (vgl. Einleitung, 9) und unternimmt eine geographi­sche Deutung des fünften Akts des Faust II, um gegen gängige Positionen der Forschung für Fausts gelingende Entwicklung vom Gelehrten zum Ökonomen, Herrscher und erfolgreichen Unternehmer zu argumentieren. Ausgehend von Goethes finanzökonomischer Bildung wird zunächst die Bedeutung von Besitz für den gescheiterten Gelehrten im Faust I beur­teilt. Faust sei immun gegen Verführungen durch Besitz und nutze diesen vielmehr zweckrational zur Eröffnung praktischer Tätigkeitsoptionen (vgl. Kap. »Besitz als Handlungspotential«, 28). So gilt er im Faust II als »Finanzfachmann am Hof« (34) des ihn kontrastierenden, ökonomisch unfähigen und genusssüchtigen Kaisers (vgl. 43-45), der Fausts und Me­phistos an sich sinnvolle Papiergeldschöpfung in eine Inflation sowie Fi­nanz- und Wirtschaftskrise umkippen lässt. Seine eigenen Erfahrungen als erfolgreicher Herrscher an der Seite Helenas (39) nutzt er zur Landge­winnung, um in der Landesplanung als Unternehmer tätig zu werden, wie es die geographische Deutung des fünften Akts (63-100) durch eine umfassende Rekonstruktion der poetisierten Topographie inkl. Abb. und eine entsprechende Analyse von Fausts letztem Monolog insgesamt über­zeugend darlegen. Faust habe »als unternehmerischer Herrscher-Besitzer tatsächlich ein >paradiesisch< (V. 11.086) Land geschaffen« (100). G.s Uto­pieentwurf bestehe somit in einem Wirtschaftssystem auf Basis eines freien Miteinanders (vgl. 111). Daher weist der Verf. alle Positionen, die »Fausts großartige wirtschaftliche Lebensleistung negieren« (123), zurück und vermag der Faust-Forschung neue Impulse zu geben."

Tim Willmann, Düsseldorf

The Year’s Work in Modern Language Studies, Vol. 78, 2018, S. 382

"Klaus Weißinger, Goethes Faust: Ökonom—Landesplaner—Unternehmer, Frankfurt, Lang, 131 pp., challenges conventional interpretations of Part 2 by arguing that Faust is a successful and largely positive figure. He scours Act 5 for the incidental details of Faust’s engineering project which might imply a geographical location (shown in diagram maps), doing so in order to show that Faust is a successful entrepreneur with substantial achievements. w.’s critics will no doubt feel that he at times trivialises Faust’s entanglement in guilt and glosses over the harm that he does and thus also the ambivalence of his ‘success’. A close reading of a relatively short text—Act 5 of Part 2—runs the risk of not contextualizing it with sufficient precision, but, as here, it can produce useful insights into details of formulation."

 

Goethe-Jahrbuch 134, 2017 S.311f

„Die neuere Forschung hat sich überwiegend die nihilistische Sicht Mephistos auf Faust und sein Werk zueigen gemacht. Dagegen lehnt Schings sich entschieden auf – und inzwischen nicht nur er. In seiner Studie Goethes Faust: Ökonom – Landesplaner – Unternehmer (2016) ist der Philologe und Geograph Klaus Weißinger ebenfalls mit der dominierenden Negativsicht Fausts als eines gescheiterten Egomanen und Illusionisten ins Gericht gegangen, und er demonstriert akribisch, daß sein Neulandprojekt kein Wahngebilde, sondern ein exakt kalkuliertes und zukunftsträchtiges Unternehmen darstellt, für das Goethe keinen Phantasieraum imaginiert, sondern – seinem gegenständlichen Denken gemäß - eine reale Natur- und Kulturlandschaft entwirft, die sich sogar in den „Bergschluchten“ fortsetzt.[1] Vom „gescheiterten Unternehmer“ (Oskar Negt 2006) kann da nicht mehr die Rede sein. Gleichwohl: die Schatten auf Fausts Charakter bleiben, und er erscheint gerade am Ende als der „neuzeitliche Prometheus“,[2] zu dem Goethe im Alter mehr und mehr auf Distanz geht und der sich schwerlich mit Schings auf den – mit Goethe gemeinsamen - Nenner der „Zustimmung zur Welt“[3] (S. 262) bringen läßt.“

Dieter Borchmeyer

[1] Klaus Weißinger: Goethes Faust, Ökonom – Landesplaner – Unternehmer. Frankfurt a. M. 2016, bes. S. 63-100. 

[2] Anglet a.a.O. S. 187.

[3] Vgl. Hans-Jürgen Schings: Zustimmung zur Welt. Goethe Studien. Würzburg 2011.