Faust: Rezensionen
Scholz, Rüdiger: Die Geschichte der Faust-Forschung. Würzburg. 2023, 2. Auflage
Rüdiger Scholz bezieht sich in seinen Zitaten sowohl auf Goethes Faust: Ökonom – Landesplaner – Unternehmer als auch auf die Geographische und transzendente Entgrenzung im 5. Akt von Goethes "Faust":
"Klaus Weißinger [widerlegt] die Behauptung (...), das Landgewinnungsprojekt scheitere" (S.880).
In Goethes Faust: Ökonom – Landesplaner – Unternehmer "wendet sich Weißinger entschieden gegen die negative Bewertung von Fausts Kolonisationsprojekt (...). Dass Fausts Kolonisationsprojekt nicht scheitert, beweist Weißinger schlüssig durch eine detailgenaue Analyse aller Ortsangaben für das Projekt in Goethes Text" (S.986).
"Nach Weißinger ist die Landschaft der "Bergschluchten" eine Fortsetzung der Landschaft des Landgewinnungsprojekts" (S.987).
"Und das Gewimmel und den Gemeindrang, die wechselseitige Hilfe, findet Faust im Himmel vor (...). Daher ist dieses Jenseits nicht so verwunderlich" (S.987).
Und in dem Kapitel "Fazit des Jahrzehnts" (2011-2021):
"Gabriele Dinkhauser, Arnd Bohm, Hartmut M. Kaiser und Klaus Weißinger haben durch ihre Textanalysen neue Erkenntnisse gewonnen" (S.1116).
"Der Disput um die realhistorische Bewertung der Papiergeldaktion und des Projekts der Kolonisation hat den geschichtlichen Blick geschärft. Klaus Weißingers Buch und Aufsatz schwimmen gegen den Strom der Pessimisten und Faust-Verdammer und sichern den Blick auf die Widersprüche von Fausts Projekt und Vision einer Solidargesellschaft" (S.1117).
Goethe-Jahrbuch 134, 2017 S.311f
„Die neuere Forschung hat sich überwiegend die nihilistische Sicht Mephistos auf Faust und sein Werk zueigen gemacht. Dagegen lehnt Schings sich entschieden auf – und inzwischen nicht nur er. In seiner Studie Goethes Faust: Ökonom – Landesplaner – Unternehmer (2016) ist der Philologe und Geograph Klaus Weißinger ebenfalls mit der dominierenden Negativsicht Fausts als eines gescheiterten Egomanen und Illusionisten ins Gericht gegangen, und er demonstriert akribisch, daß sein Neulandprojekt kein Wahngebilde, sondern ein exakt kalkuliertes und zukunftsträchtiges Unternehmen darstellt, für das Goethe keinen Phantasieraum imaginiert, sondern – seinem gegenständlichen Denken gemäß - eine reale Natur- und Kulturlandschaft entwirft, die sich sogar in den „Bergschluchten“ fortsetzt.[1] Vom „gescheiterten Unternehmer“ (Oskar Negt 2006) kann da nicht mehr die Rede sein. Gleichwohl: die Schatten auf Fausts Charakter bleiben, und er erscheint gerade am Ende als der „neuzeitliche Prometheus“,[2] zu dem Goethe im Alter mehr und mehr auf Distanz geht und der sich schwerlich mit Schings auf den – mit Goethe gemeinsamen - Nenner der „Zustimmung zur Welt“[3] (S. 262) bringen läßt.“
Dieter Borchmeyer
[1] Klaus Weißinger: Goethes Faust, Ökonom – Landesplaner – Unternehmer. Frankfurt a. M. 2016, bes. S. 63-100.
[2] Anglet a.a.O. S. 187.
[3] Vgl. Hans-Jürgen Schings: Zustimmung zur Welt. Goethe Studien. Würzburg 2011.
The Year’s Work in Modern Language Studies, Vol. 78, 2018, S. 382
"Klaus Weißinger, Goethes Faust: Ökonom—Landesplaner—Unternehmer, Frankfurt, Lang, 131 pp., challenges conventional interpretations of Part 2 by arguing that Faust is a successful and largely positive figure. He scours Act 5 for the incidental details of Faust’s engineering project which might imply a geographical location (shown in diagram maps), doing so in order to show that Faust is a successful entrepreneur with substantial achievements. w.’s critics will no doubt feel that he at times trivialises Faust’s entanglement in guilt and glosses over the harm that he does and thus also the ambivalence of his ‘success’. A close reading of a relatively short text—Act 5 of Part 2—runs the risk of not contextualizing it with sufficient precision, but, as here, it can produce useful insights into details of formulation."
Germanistik - Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen. Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Band 60, Heft 1-2 (Aug 2019), S. 265 f.
"Die Studie basiert auf überarbeiteten Passagen der Diss. (Univ. Heidelberg, 2015) des Verf. (vgl. Einleitung, 9) und unternimmt eine geographische Deutung des fünften Akts des Faust II, um gegen gängige Positionen der Forschung für Fausts gelingende Entwicklung vom Gelehrten zum Ökonomen, Herrscher und erfolgreichen Unternehmer zu argumentieren. Ausgehend von Goethes finanzökonomischer Bildung wird zunächst die Bedeutung von Besitz für den gescheiterten Gelehrten im Faust I beurteilt. Faust sei immun gegen Verführungen durch Besitz und nutze diesen vielmehr zweckrational zur Eröffnung praktischer Tätigkeitsoptionen (vgl. Kap. »Besitz als Handlungspotential«, 28). So gilt er im Faust II als »Finanzfachmann am Hof« (34) des ihn kontrastierenden, ökonomisch unfähigen und genusssüchtigen Kaisers (vgl. 43-45), der Fausts und Mephistos an sich sinnvolle Papiergeldschöpfung in eine Inflation sowie Finanz- und Wirtschaftskrise umkippen lässt. Seine eigenen Erfahrungen als erfolgreicher Herrscher an der Seite Helenas (39) nutzt er zur Landgewinnung, um in der Landesplanung als Unternehmer tätig zu werden, wie es die geographische Deutung des fünften Akts (63-100) durch eine umfassende Rekonstruktion der poetisierten Topographie inkl. Abb. und eine entsprechende Analyse von Fausts letztem Monolog insgesamt überzeugend darlegen. Faust habe »als unternehmerischer Herrscher-Besitzer tatsächlich ein >paradiesisch< (V. 11.086) Land geschaffen« (100). G.s Utopieentwurf bestehe somit in einem Wirtschaftssystem auf Basis eines freien Miteinanders (vgl. 111). Daher weist der Verf. alle Positionen, die »Fausts großartige wirtschaftliche Lebensleistung negieren« (123), zurück und vermag der Faust-Forschung neue Impulse zu geben."
Tim Willmann, Düsseldorf