Goethe-Jahrbuch 134, 2017 S.311f

„Die neuere Forschung hat sich überwiegend die nihilistische Sicht Mephistos auf Faust und sein Werk zueigen gemacht. Dagegen lehnt Schings sich entschieden auf – und inzwischen nicht nur er. In seiner Studie Goethes Faust: Ökonom – Landesplaner – Unternehmer (2016) ist der Philologe und Geograph Klaus Weißinger ebenfalls mit der dominierenden Negativsicht Fausts als eines gescheiterten Egomanen und Illusionisten ins Gericht gegangen, und er demonstriert akribisch, daß sein Neulandprojekt kein Wahngebilde, sondern ein exakt kalkuliertes und zukunftsträchtiges Unternehmen darstellt, für das Goethe keinen Phantasieraum imaginiert, sondern – seinem gegenständlichen Denken gemäß - eine reale Natur- und Kulturlandschaft entwirft, die sich sogar in den „Bergschluchten“ fortsetzt.[1] Vom „gescheiterten Unternehmer“ (Oskar Negt 2006) kann da nicht mehr die Rede sein. Gleichwohl: die Schatten auf Fausts Charakter bleiben, und er erscheint gerade am Ende als der „neuzeitliche Prometheus“,[2] zu dem Goethe im Alter mehr und mehr auf Distanz geht und der sich schwerlich mit Schings auf den – mit Goethe gemeinsamen - Nenner der „Zustimmung zur Welt“[3] (S. 262) bringen läßt.“

Dieter Borchmeyer

[1] Klaus Weißinger: Goethes Faust, Ökonom – Landesplaner – Unternehmer. Frankfurt a. M. 2016, bes. S. 63-100. 

[2] Anglet a.a.O. S. 187.

[3] Vgl. Hans-Jürgen Schings: Zustimmung zur Welt. Goethe Studien. Würzburg 2011.