Germanistik - Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen. Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Band 60, Heft 1-2 (Aug 2019), S. 265 f.
"Die Studie basiert auf überarbeiteten Passagen der Diss. (Univ. Heidelberg, 2015) des Verf. (vgl. Einleitung, 9) und unternimmt eine geographische Deutung des fünften Akts des Faust II, um gegen gängige Positionen der Forschung für Fausts gelingende Entwicklung vom Gelehrten zum Ökonomen, Herrscher und erfolgreichen Unternehmer zu argumentieren. Ausgehend von Goethes finanzökonomischer Bildung wird zunächst die Bedeutung von Besitz für den gescheiterten Gelehrten im Faust I beurteilt. Faust sei immun gegen Verführungen durch Besitz und nutze diesen vielmehr zweckrational zur Eröffnung praktischer Tätigkeitsoptionen (vgl. Kap. »Besitz als Handlungspotential«, 28). So gilt er im Faust II als »Finanzfachmann am Hof« (34) des ihn kontrastierenden, ökonomisch unfähigen und genusssüchtigen Kaisers (vgl. 43-45), der Fausts und Mephistos an sich sinnvolle Papiergeldschöpfung in eine Inflation sowie Finanz- und Wirtschaftskrise umkippen lässt. Seine eigenen Erfahrungen als erfolgreicher Herrscher an der Seite Helenas (39) nutzt er zur Landgewinnung, um in der Landesplanung als Unternehmer tätig zu werden, wie es die geographische Deutung des fünften Akts (63-100) durch eine umfassende Rekonstruktion der poetisierten Topographie inkl. Abb. und eine entsprechende Analyse von Fausts letztem Monolog insgesamt überzeugend darlegen. Faust habe »als unternehmerischer Herrscher-Besitzer tatsächlich ein >paradiesisch< (V. 11.086) Land geschaffen« (100). G.s Utopieentwurf bestehe somit in einem Wirtschaftssystem auf Basis eines freien Miteinanders (vgl. 111). Daher weist der Verf. alle Positionen, die »Fausts großartige wirtschaftliche Lebensleistung negieren« (123), zurück und vermag der Faust-Forschung neue Impulse zu geben."